Feuerbach in Nürnberg

 

Brief Feuerbachs vom 20.10.1860 an Wihelm Bolin*, nachdem er sich in diesem Jahr von Bruckberg gelöst hatte und nach Nürnberg-Rechenberg gezogen war:

"Wie verschieden ist doch mein äusserliches Schicksal von dem der nächst vorangegangenen Philosophen, wenn anders ich mich als den letzten, untersten, an die äusserste Grenze des Philosophentums hinausgeschobenen Philosophen diesen öffentlich und allgemein anerkannten Geistesheroen anreihen darf. Wie wenig genirte sie das andere Ich? Ich für mich selbst allein – kein Einwand, keine Opposition, keine Ahnung eines Anderen störte diese selige Identität. Daß es ein anderes Ich noch gebe, das machten sie erst hinterdrein zufällig oder durch Klügelei ausfindig. Das andere Ich, der Mensch, das Weib, der Leib war vom Staate anerkannt und versorgt, das Ich des Denkers brauchte daher nicht an dieses andere Ich zu denken, es spielte als Professor auf dem vom Hof- oder Universitätsschreinermeister glatt gehobelten, von jeder anstössigen, an das Dasein eines Anderen schmerzlich erinnernden Unebenheit gereinigten Katheder die Rolle des absoluten Geistes. In Hegel erreichte diese Rolle ihren Culminationspunkt, er ist das realisierte Ideal, das Muster eines deutschen Professors der Philosophie, eines philosophischen Scholarchen. Der absolute Geist ist nichts anderes als der absolute Professor, der die Philosophie als Amt betreibende, in der Professur seine höchste Seligkeit und Bestimmung findende, den Kathederstandpunkt zum kosmologischen und welthistorischen, Alles bestimmenden Standpunkt machenden Professor. Wie ganz anders ist mein Schicksal, das mich nicht auf den Schultern der Staatsmacht, nicht auf Kosten Anderer über die Nothwendigkeit, an das Dasein eines anderen Ich ausser dem Ich des Denkers zu denken, erhoben und auf das Katheder der absoluten Philosophie gestellt hat, das mich im Gegentheil in tiefster Niedrigkeit, Verlassenheit und Obscurität, aber eben deswegen auch glücklicher Einsamkeit und Selbständigkeit 24 Jahre auf ein Dorf, das nicht einmal – o wie entsetzlich, wie unheilschwanger – eine Kirchen hat, verbannte! Zwei Jahre in Berlin als Student, und 24 Jahre auf einem Dorfe als Privatdocent! Und auch jetzt nicht durch einen ehrenvollen, dem Ich schmeichelnden Ruf an eine Universität oder freie Akademie, sondern nur durch das schmachvolle Gerassel der eisernen Kette, die den Denker mit dem Menschen, das Ich mit dem Du zusammenhält, aus dem Dunkel aufgescheucht, aus meinem ebenso frei- als unfreiwilligen Exil exilirt!"

* W. Bolin, (Hg.), Ausgewählte Briefe, 2 Bd. 1904, S. 246

Historische Fotografien

Zunächst können wir Ihnen das Wohnhaus von Ludwig Feuerbach und seiner Familie zeigen, das er im Jahre 1860 bezog, nachdem er Bruckberg wegen der Zahlungsunfähigkeit der Porzellanfabrik verlassen mußte. In Rechenberg, damals noch nicht zu Nürnberg gehörig, konnte er in einem Behaimschen bäuerlichen Anwesen im Haupthaus das erste Stockwerk und das Dachgeschoß mieten. Die Fotografien des Anwesens stammen aus den Jahren 1912/1913 – die Gebäude wurden nach mehrfachem Verkauf im Jahre 1916 abgerissen.

 

Zuerst zeigen wir Ihnen einen Gesamt-Überblick des Anwesens auf dem Rechenberg:

 

 

Im rechten Gebäude wohnte Feuerbach im ersten Stock, der nur schwer zu beheizen war.
Treten wir nun etwas näher an das Haus heran:

 

 

Auf der Giebelseite rechts läßt sich eine Gedenktafel erkennen, die der Modelleur Fritz Zadow schuf und von 1906-1916 an dem Gebäude angebracht war. Diese Gedenktafel existiert immer noch und ist im Besitz des HVD Nürnberg, der in Zusammenarbeit mit der Stadt Nürnberg nach langen Bemühungen eine Möglichkeit zur erneuten Anbringung gefunden hat: Die Gedenktafel hat ihren neuen Standort am Rechenberg, beim Aufgang zum Feuerbach-Kenotaph gefunden; den Bericht zu ihrer Neu-Einweihung und jetzigem Zustand finden sie auf unserer Presse-Bericht-Seite.
Lassen Sie uns jetzt die damalige Anbringung noch näher besehen:

 

Auf dem Rechenberg zu Nürnberg steht heute wieder das schlichte Denkmal für den Philosophen,
ein nach dem 1. Weltkrieg gestifteter Kenotaph ("leeres Grab") mit den Inschriften:

DER MENSCH SCHUF GOTT NACH SEINEM BILDE
1804-1872
TUE DAS GUTE UM DES MENSCHEN WILLEN
DEM FREIDENKER LUDWIG FEUERBACH ZUM GEDENKEN


Farbfotografien Rechenberg: Joachim Goetz

 

Dieses Denkmal wurde gleich nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten auf Beschluß des Stadtrats vom 12.7.1933 entfernt und erst 1955 wieder aufgestellt. Auch diese Wiedererrichtung blieb in der damaligen Adenauerschen Restaurationszeit nicht ohne Widerspruch. Lesen Sie dazu auch den Bericht des Nürnberger Sonntagsblitz vom 13.03.2005 zur Wiedererrichtung des Kenotaphs im Jahr 1955.

 

Die sozialdemokratische Arbeiterschaft in Nürnberg nahm regen Anteil am Tode von Ludwig Feuerbach, wie der folgende Presseausschnitt aus der damaligen Zeit zeigt:



Und so strömten Tausende von Menschen zu Feuerbachs Begräbnis auf den Johannis-Friedhof, um ihm das letzte Geleit zu geben.

 

 

"Auf dem Johannisfriedhof zu Nürnberg wurde ihm [Ludwig Feuerbach] von dem Freiherrn von J. Kramer-Klett, einem reichen Nürnberger Fabrikbesitzer, auf eigene Kosten ein würdiges Denkmal gesetzt. Auf dem Unterbau erhebt sich ein mächtiger Sockel von Dreiecken gekrönt und auf diesen wieder eine Pyramide, alles aus gelblichem Sandstein. Der Sockel trägt eine Aufschrift: 'Ludwig Feuerbach, geboren den 28. Juli 1804 in Landshut und gestorben den 13. September 1872 in Nürnberg.' Auf der Rückseite ist ein Lorbeerkranz in Bronze und Relief angebracht. In der Mitte der Pyramide hebt sich Feuerbachs Porträt ab, gleichfalls in Bronze und in Relief, modelliert von Johann Schreitmüller."

Aus Adolph Kohut, Ludwig Feuerbach, Leipzig 1909, S. 352

 


 

Sein Grabmal, wie es hier in Schwarz-Weiß abgebildet und von Kohut geschildert wird, entspricht nicht dem heutigen Zustand, den wir Ihnen ebenfalls zeigen wollen; das Portrait des Philosophen befindet sich heute auf einem liegenden Grabstein:

 



Prof. Dr. Braun, Zürich, Präsident der Internationalen Gesellschaft der Feuerbach-Forscher, und Prof. Dr. Schuffenhauer, Berlin, Herausgeber der Gesammelten Werke, im März 2001 am Grab des Philosophen

Farbfotografien Johannisfriedhof: Helmut Walther

Herzlichen Dank an Herrn Alfred Kröner, Oberasbach, für die Informationen zum Wohnsitz von Ludwig Feuerbach in
Nürnberg-Rechenberg und hinsichtlich der Grabstätte auf dem Johannis-Friedhof
sowie für die Bereitstellung des Zeitungsausschnittes vom 14. September 1872

 

Ich will nichts Anderes geschrieben haben, nichts Anderes nach meinem Tode im Andenken der Menschen zurücklassen, als die "Theogonie", oder mit anderen Worten: "Das Wesen der Religion". Und selbst von dieser einen Schrift beanspruche ich nur die Wahrheit und Richtigkeit des Grundgedankens, des Prinicps; alles Andere, Form, Ausführung, Darstellung gebe ich preis. Nur Eines will ich geleistet, nur Einen Grundgedanken ins Licht des Bewusstseins der Menschheit gesetzt haben, sonst nichts. Ich bin kein Schreiber von Profession, am wenigsten ein Viel-, Gern- und Schönschreiber. Ich schreibe nur aus Pflicht, nicht aus Lust; aus Nothwendigkeit, nicht aus Liebe und schriftstellerischer Eitelkeit.

Ludwig Feuerbach, Sämtliche Werke, X. Band,S, 345
Neu herausgegeben von W. Bolin und Fr. Jodl, 2. Aufl., Fromann Verlag 1960

 

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