Zum 180. Todestag des Ritter von Feuerbach oder Nullum crimen, nulla poena sine lege Mitglieder und Freunde der Ludwig-Feuerbach Gesellschaft und des Humanistischen Verbandes Deutschland aus Berlin, Braunschweig, Köln, Bonn, Mainz, Marburg, Frankfurt am Main, Lindau (Bodensee), Erlangen und Nürnberg versammelten sich am 1. Juni 2013 auf dem Hauptfriedhof zu Frankfurt am Main anlässlich des 180. Todestages von P.J.A. Ritter von Feuerbach. Der am 29. Mai 1833 verstorbene Rechtsgelehrte Feuerbach wurde dort am 31. Mai 1833 beigesetzt.
Die Besucher der Gedenkveranstaltung hatten anschließend die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Führung durch KULTUROTHEK Frankfurt zu ausgewählten Grabstätten von Schopenhauer, Adorno, Alzheimer, Dr. Hoffmann (Autor des Struwelpeter) sowie des kürzlich verstorbenen Alfred Schmidt über den historischen Teil des Friedhofes. Nach diesem zwei Stunden bei frühlingshaften Wetter währenden Friedhofsspaziergang traf man sich in der nahegelegenen Nibelungenschänke zu einem geselligen Mittagessen und Gespräch. Dabei schilderte Dr. Alfred Kröner (Nürnberg) Feuerbachs letzte Lebensjahre und die Begebenheiten seiner letzen Lebensmonate bei seiner Schwester Rebekka Ruland in Frankfurt am Main. In seinem Beitrag, den Sie unten auf dieser Seite abgedruckt finden, hob Dr. Kröner hervor, dass es, entzückt durch die schöne Lage, Feuerbachs Wunsch gewesen sei, auf diesem Frankfurter Friedhof begraben zu sein. Hans-Jürgen Stubig
Liebe Freunde der Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft, ich darf Ihnen zum heutigen Grabbesuch einige Hintergrundinformationen geben, weshalb der seit 1817 mit seiner Familie seit vielen Jahren in Ansbach lebende Feuerbach hier auf dem Hauptfriedhof seiner Vaterstadt Frankfurt begraben wurde. Dies hatte vor allem mit einem spannungsvollen Verwandtenverhältnis zu tun: Am 5. Januar 1833 schrieb der berühmte Jurist Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach, der Schöpfer des Bayerischen Strafgesetzbuchs vom 1. Oktober 1813 und seit 1817 Präsident des Appellationsgerichts für den Rezatkreis in Ansbach, seiner Schwester Rebbeka Magdalene Ruland Folgendes: "Nimm hier die Bruderhand, die ich Dir zur Versöhnung biete. Verzeihe mir, was ich an Dir gefehlt, so wie auch ich dasjenige, was ich Dir als Unrecht beimaß, längst entschuldigt, vergeben und vergessen habe. Hass stand niemals zwischen Dir und mir, aber Leidenschaft und Irrtum; jene ist längst gestillt, dieser ist längst berichtigt; bezeigen wir uns daher wieder als das, was wir nie zu sein aufgehört haben – Schwester, Bruder." (GW 12 S. 585) Und in einem Brief vom Februar 1833 an eben dieselbe heißt es weiter: "Mit Sehnsucht sehe ich dem Frühling entgegen, der mich meiner lieben mir wiedergewonnenen Schwester entgegenführt." (GW 12 S.586) Einige Sätze später führte der Briefschreiber dann aus: Seit zwei Jahren hatte ich nicht eine gesunde Stunde; im Juni des verwichenen Jahres [also 1832] wurde ich vom Schlag gerührt, der mir den rechten Arm und die Zunge lähmte. Beide Übel sind seitdem gemindert, doch bei weitem noch nicht behoben." (GW 12 S. 586). Diese kurze Vorgeschichte des Frankfurter Besuches zeigt uns, dass sich Feuerbach mit seiner Schwester, die er brieflich wegen deren Heirat mit dem Branntweinbrenner Ruland sehr beleidigt hatte, versöhnen wollte. Zudem beabsichtigte er sie vor dem geahnten Tod nochmals zu sehen und dabei auch die Stadt seiner Kindheit und Jugend zu besuchen. So reiste er denn um den 15. April 1833 mit der jüngsten Tochter Rosina Eleonore genannt Leonore (geb. 1809) nach Frankfurt zur Schwester, die am Allerheiligen Tor wohnte. Dieser Besuch war, wie Radbruch treffend schreibt, von einem "goldenen Abendrot überglänzt" (Radbruch, Paul Johann Anselm Feuerbach, Göttingen 1969 S. 208). Feuerbach war heiter, gesellig und freute sich über die Natur. Als er einmal den 1828 eröffneten Hauptfriedhof, ein Werk des Senators Johann Adam Beil, besuchte, soll er geäußert haben: Er sei entzückt über die schöne Lage und haben den Wunsch, hier einmal begraben zu werden; er wolle doch den Ansbachern nicht das Vergnügen einer Präsidentenleiche gönnen. Diese Aussagen gehen aus einem Brief des Sohnes Ludwig an den Bruder Fritz vom 2. Juni 1833 hervor und beruhen wohl auf den Wahrnehmungen der mitgereisten Tochter. (GW 17 S. 155). Der Tod kam dann, wenn auch etwas unerwartet am 27. Mai, dem Pfingstmontag des Jahres 1833. Bei einem heiteren Ausflug nach Königstein traf ihn erneut der Schlag, was zur Lähmung der linken Körperseite und dem Verlust der Sprache führte. Er konnte sich jedoch durch Schreiben mit der rechten Hand verständlich machen, wobei er auf einem Zettel schrieb: "Ach Gott, ich bin des Todes." (Brief Ludwig Feuerbachs, GW 17 S. 155). Man brachte ihn in das Gartenhaus vor dem Allerheiligen Tor, wo er sanft und schmerzlos am Mittwoch nach Pfingsten, den 29. Mai 1833, um zwei Uhr in der Frühe verstarb. Die Tochter Leonore scheint beim Sterbenden gewesen zu sein, denn er hatte noch in der Todesstunde ihre Hand an den Mund gedrückt, um sie zu küssen. Dies ergibt sich aus einen Brief Ludwig Feuerbachs an den Bruder Anselm vom 2.6.1833 (GW 17 S. 157). Die damals in Ansbach lebende Familie Feuerbach dürfte die Todesnachricht am 30. oder 31. Mai erhalten haben, vielleicht durch ein Presseorgan. Die Beerdigung fand am 31. Mai 1833 vormittags um 8 Uhr statt. " Sie ging in aller Stille vor sich; es wohnten nur einige weitläufige Verwandte bei" heißt es in den Akten des "Zivil-Verdienst-Ordens". Was hatte dieser Orden mit Ritter von Feuerbach zu tun? Am 27. Mai 1808 hatte die königlich-baierische Regierung einen Zivil-Verdienst-Orden errichtet, in dessen dritter Klasse auch der "geheime Referendär Paul Johann Anselm Feuerbach" als Ritter aufgenommen wurde; er war berechtigt, das entsprechende Ehrenzeichen des Ordens zu tragen. Nach den weiteren Angaben in den Ordensakten hatten drei Beauftragte desselben, zwei Obristenleutnants und ein Graf, teilgenommen (BayHStA Ordensakten 1 1619). Wer von der Familie im weiteren Sinne anwesend war, konnte ich nicht ermitteln. Wie aus dem oben zitierten Brief vom 2. Juni 1833 hervorgeht, war die begleitende Tochter Leonore bereits am 1. Juni 1833 wieder in Ansbach. Somit hatte niemand aus dem engeren Familienkreis an der Beisetzung teilgenommen. Ob dies beabsichtigt war oder sich aus der kurzen Fristsetzung für die Beerdigung ergab, ist nicht sicher festzustellen. Allgemein war man in der Familie darüber beruhigt, dass der Vater bereits am 6. März 1833 ein ausführliches Testament errichtet hatte, so dass es zu keinerlei Erbauseinandersetzungen kam. Erstaunlich ist jedoch, dass einer der bedeutendsten Juristen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ohne große Teilnahme oder Würdigungen in "aller Stille" beerdigt wurde. |
Zusammenstellung: Helmut Walther